In diesem Beitrag geht es über die Fragen zur Autonomie im Fremdsprachenlernen, die in der didaktischen Diskussion neben die Fragen der Ziele,Inhalte und Methoden in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt sind. Mit didaktischen Begriffen wie z. B. Schülerorientierung,(Berücksichtigung von Schülerinteressen), Binnendifferenzierung (z.B. unterschiedliche Unterrichtsangebote für leistungsstärkere/-schwächere Schüler), Projektorientierung(z.B. Lernen durch die gemeinsame Arbeit an Projekten) oder lernpsychologischen Begriffen wie z. B. Lerntyp, Lernstrategien, Metakognition (Reflexion von Lernprozessen und Lernstrategien) wird versucht, die Perspektive der Lernenden zu würdigen und in die didaktische Überlegungen einzubeziehen.
Prinzipiell sollte jeder gute Lehrgang die Schüler/innen und Kursteilnehmer/innen zu selbstständigen Lernern machen und ausdrücklich darauf hinauslaufen, dass die Lernenden autonom entscheiden, was, wie und mit was sie sich sprachlich vervollkommnen wollen. Das sollte Prinzip jeder Unterrichtseinheit, jeder Kursstufe und des gesamten Lehrgangs sein.
Autonomes Lernen verlangt von der Lehrkrafteine wichtige Erweiterung des professionellen Denkens, Planens und Handelns.
Um im Kurs eine Atmosphäre des autonomischen Lernens zu schaffen, muss der Lehrer/ die Lehrerin in die Rolle des/ der Beobachtenden umsteigen und erkennen und analysieren, ob und wie der Auftrag rezipiert wird und Lernen auslöst und fehlleitet. Die Lernenden müssen die Aufgaben deuten, sich Lösungsstrategien überlegen, Hilfsmittel nutzen prozeßbegleitende Techniken (Notizen. Schemaklammern, Text-Bild-Collagen) einsetzen und prüfen, wie sie in der gegebenen Zeit und mit dem erkannten Ziel allein oder in der Gruppe verfahren.Autonomie im Lernen von Fremdsprachenumfasst neben dem lernpsychologischen Aspekt auch einen interkulturellen Aspekt. Autonome Lernende einer Fremdsprache sind Menschen, die einiges über Kommunikationsverhalten, über kulturbedingte Normen und Werte wissen. Wie zum Beispiel kann das Grüßen auch nonverbal von Land zu Land unterschiedlich sein, aber auch innerhalb einer Sprachgemeinschaft große Unterschiede aufweisen. Reflexionen über kulturbedingte Prägungen verfolgen das Ziel, im Spiegel der fremden Verhaltensweisen,Normen, Werte usw. die je eigenen zu erkennen.
Wie kann Selbstständigkeit gefördert werden?Es ist nicht genügend, denLernenden einen Freiraum fürs Lernen zu schaffen oder eine Reihe Selbstmeaterialien zur Verfügung zu stellen. Die Frage, wie die Selbstständigkeit bei allen Schülerinnen und Schülern innerhalb des schulischen Fremdsprachenunterrichts gefördert werden kann, ist und wird immer wieder als eine zentrale Frage der Methodik. Es sind mindestens zwei Tendenzen von Unterrichtskonzepten zu unterscheiden:
- Unterrichtskonzepte, die von den Lernenden Selbstinitiative verlangen
Diese Unterrichtskonzepte zeichnen sich im Wesentlichen dadurch aus, dass sie den lernenden einen gewissen Freiraum mit bestimmten Spielregeln innerhalb Unterrichts bieten. Als klassisches Beispiel gilt hier der wohlbekannte Projektunterricht.
Ebenso klassisch, jedoch weniger verbreitet, ist die Freinet –Pädagogik. Eines der wichtigsten erziehungsziele war für Celestin Freinet die „AUTOGESTION “, ein begrifflicher Vorläufer der Autonomie. „AUTOGESTION “ wird dann möglich, wenn folgende Fähigkeiten gefördert werden:
– Die Selbstverantwortung: z.B. Arbeitsverträge abschließen, gegenüber der Lerngemeinschaft Rechenschaft ablegen in Bezug auf das Einhalten oder nicht Einhalten der eigenen Arbeitsvorhaben;
– Die Selbstregulierung: z.B. durch Monats-und Wochenpläne, Planung und Reflexion der Arbeitsabläufe;
– Die Selbstbewertung: z.B. anhand von Übungsmaterial mit Lösungsschlüsseln, Eigenbewertung, Gruppenevaluation.
- Unterrichtskonzepte, die von den Lernenden Selbstinitiative und Reflexionen verlangen
Die zweite Tendenz der autonomiefördernden Ansätze umfasst Unterrichtskonzepte, die zwar das selbstinitiative Lernen unterstützen, zusätzlich aber als wesentliches didaktisches Element die Reflexion über das Lerngeschehen und über kulturelle Ausprägungen vorsieht.
Phasen, in denen die Lernenden überlegen wie sie gelernt haben, welche Schwierigkeiten sie angetroffen haben, wie der Unterricht bzw. ihre Lernarbeit optimiert werden könnten usw., ermöglichen den Lernenden Einblicke in das eigene Lernverhalten und in die erlebten Lehr-/Lernprozesse. Diese Einblicke erlauben es nicht nur wenig effiziente Lehr-und Lernformen zu verbessern, sie sind auch die Voraussetzungen, um die eigenen Stärken und Schwächen, die eigenen Vorlieben und Interessen zu erkennen und damit auch Selbstvertrauen zu stärken.
Schlussfolgernd können wir feststellen, dass sich die Förderung der Autonomie auf vier Pfeiler stützt:
- Die optimale Orientierung im Lehr-/Lerngeschehen
- Die bewusste Übernahme von Verantwortungen für das eigene Lernen
- Die Reflexion über das eigene Lernen und Optimierung des Lernverhaltens
- Reflexion über fremde und eigene kulturelle Prägungen
Es entsteht eine Frage: Wie kann die Selbständigkeit im eigenen Unterricht gefördert werden?
Für viele Lehrpersonen ist es natürlich ein Problem, genüg Zeit zuhaben um alle diese schönen Ziele umzusetzen. Neben dem Lernen der Fremdsprache scheint kein Platz mehr zu sein, um vermeintlich anders zu machen. Schließlich gibt es da Abschlüsse, Prüfungen, Noten usw., bei denen eine gewisse Sprachkompetenz nachgewiesen werden muss.
Auf jeden Fall ist es zu behaupten, dass die Förderung der Selbstständigkeit keine vorgefertigte Unterrichtsmethode ist, die die Lehrpersonen ein für allemal lernen sollten. Die Förderung der Selbstständigkeit beginnt vielmehr mit einer Reihe von Entscheidungen, die die Lehreperson in der Unterrichtsplanung und –Vorbereitung trifft -sowohl im Fremdsprachenunterricht wie auch in der Aus-und Fortbildung der Lehrkräfte.
Literatur:
- Beck, Erwin: Eigenständiges Lernen –eine Herausforderung für Schule und Lehrerbildung. In: Beiträge zur Lehrerbildung H.2/1989
- Hausermann-Piepo: Aufgaben Handbuch. München: Verlag IUDICIUM /1996
- Krumm, Hans- Jurgen. Unterrichtsprojekte. Praktisches Lernen im Deutschunterricht In: Fremdsprache Deutsch H.1/1991 S.4–8
- Dietrich, Ingrid: Handbuch Freinet- Pädagogik. Eine praxisbezogene Einführung. Weinheim und Basel: Beltz Verlag1995